Die Märkte für Aktien und Unternehmensanleihen haben sich seit ihren März-Tiefs schon wieder deutlich erholt. Der US-Aktienindex S&P 500, welcher oft als Weltleitindex zitiert wird, war am 08. Juni 47% vom Tief des Corona-Crashs gestiegen und notierte nur noch 5% unter seinem Mitte Februar erreichten Allzeithoch. Währenddessen kollabieren die Wirtschafts- und Unternehmensdaten, bei denen zwar zuvor die Erwartungen deutlich gesenkt wurden, aber selbst diese wurden zumeist nochmals deutlich unterschritten.

Wie passt das zusammen? Steigende Aktien- und Unternehmensanleihenmärkte und eine katastrophale Konjunktur. Dabei haben die Aktienmärkte der USA und auch Deutschlands noch höhere fundamentale Bewertungsniveaus erreicht, als vor dem Crash. Erleben wir eine durch die expansive Zentralbankpolitik liquiditätsgetriebene Hausse, lediglich eine vollkommen normale starke Bärenmarktrallye oder ist hier eventuell doch mehr im Busch? Eine mögliche Erklärung für dieses Auseinanderklaffen von Kapitalmärkten und Realwirtschaft liefert die österreichische Schule der Nationalökonomie. Ihre prominentesten Vertreter Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek beschrieben das Phänomen der Katastrophenhausse im 20. Jahrhundert und prägten den Begriff, der nun vermehrt in den Medien auftaucht.

Was ist eine Katastrophenhausse?

Hierbei handelt es sich um einen Boom, der vor allem an den Aktienmärkten stattfindet und sich aus der Angst vor dem Wertverlust des Papiergeldes speist. Andere Sachwerte wie Gold und Immobilien profitieren allerdings ebenfalls. Während des Crack Up Booms steigen die Preise für diese Sachwerte auch inflationsbereinigt (real) stark an. Durch die massive Ausweitung der Geldmenge durch eine Zentralbank, welche eine Rezession durch billiges Geld bekämpfen möchte und einen Staat, der dieses neugeschaffene Geld an seine Bürger verteilt, gerät die Inflation außer Kontrolle. Diese kann, wenn sie einmal in Fahrt gekommen ist, nicht mehr eingedämmt werden. Die Wirtschaftssubjekte verlieren das Vertrauen in die Papierwährung und versuchen daher, ihr Geld in Sachwerte umzutauschen. Da die Inflation deutlich höher ist als das Zinsniveau, erzielen Investoren in Anleihen und Sparer einen negativen Realzins. Daher versuchen insbesondere institutionelle Investoren ihre Bestände an Anleihen zu verkaufen, um diese in Aktien, Immobilien und Gold zu investieren. Somit trifft viel Geld auf ein sehr knappes Angebot an diesen Sachwerten, was deren Preise stark steigen lässt – selbst bei schlechten fundamentalen Aussichten und hohen Bewertungen. Die Katastrophenhausse leitet die finale Periode des ungedeckten Papiergeldsystems ein, an deren Ende der zahlungsunfähige Staat nur noch eine Währungsreform durchführen kann.

Historische Beispiele eines Crack Up Booms

Die jüngere Vergangenheit kennt mehrere prominente Beispiele für dieses makroökonomische und monetäre Phänomen. Ludwig von Mises konnte Anfang der 1920er Jahre live anhand der Weimarer Republik miterleben, wie sich die Katastrophenhausse entwickelte. Der damalige deutsche Aktienindex des Statistischen Reichsamtes stieg von 200 im Februar 1920 auf 26,89 Billionen im Dezember 1923 – ein Gewinn von 135 Milliarden %! Im gleichen Zeitraum stieg der Lebenshaltungskostenindex von 8,47 auf 1,247 Billionen, was einem Plus von 147 Milliarden % entsprach. In der Endphase dieser Hyperinflation verbesserte sich die Relation von Aktien zu Lebenshaltungskosten deutlich zugunsten von Aktien und suggerierte dadurch eine Scheinkonjunktur.

Ein jüngeres Beispiel stellt der Aktienboom in Simbabwe im Jahr 2007 dar. Hier verteuerte sich der Aktienindex ca. 3 Mal so schnell wie die Verbraucherpreise. Darüber hinaus stellen die Ereignisse in Venezuela in den letzten Jahren ebenfalls eine Katastrophenhausse dar, denn wirtschaftliche Depression, Massenarbeitslosigkeit, kollabierende Löhne und Gehälter und der Kontrollverlust des Staates gehen mit Hyperinflation und stark steigenden Aktienmärkten einher.

Gesellschaftliche Folgen

Die Katastrophenhausse trifft vor allem die unteren Einkommens- und Vermögensschichten, deren Löhne und Gehälter die Teuerung der Konsumentenpreise nicht nachvollziehen. Bezieher von staatlichen Transferleistungen, also in erster Linie Rentner und Arbeitslose, sind besonders negativ betroffen. Sie haben keine Immobilien, während sich die Mieten stark verteuern und können keine Teile ihres Vermögens in Sachwerten inflationsschützend anlegen. Somit verarmen ganze Gesellschaftsschichten, auch die obere Mittelschicht, der es zuvor finanziell gut ging.

In der Weimarer Republik verordnete der deutsche Staat Höchstmieten, um die gesellschaftlichen Verwerfungen einzudämmen. Ein Umstand der uns mit der Mietpreisbremse und Mietobergrenzen (Berlin) in Deutschland auch heute bestens bekannt ist. Obwohl Immobilien ebenfalls Sachanlagen sind, konnte diese damals viel geringere Wertsteigerungen als Aktien erzielen. Darüber hinaus versuchte der Gesetzgeber die Gewinne des durch die reale Entwertung der Hypotheken und Kredite entstandenen Wohneigentums durch eine Hauszinssteuer zu besteuern.

Voraussetzungen – Welche sind bereits erfüllt und welche nicht?

Die Hauptvoraussetzung eines Crack Up Booms ist ein bestehendes Fiat Geldsystem, also ein Geldsystem mit einer beliebig vermehrbaren Geldmenge. Dieser Punkt ist in nahezu allen Ländern der Welt spätestens seit Anfang der 1970er Jahre und dem Auflösen des Bretton Woods Währungssystems und dem damit verbundenen Goldstandard gegeben. Zumeist geht einer Katastrophenhausse eine Hyperinflation oder zumindest eine galoppierende Inflation voraus. Von einer galoppierenden Inflation geht man aus, wenn sich die Kaufkraft des Geldes in einem Jahr um 30% reduziert. Von einer Hyperinflation spricht man ab einer monatlichen Teuerungsrate von 50% (ca. 13.000% p.a.). Dies konnten wir zumindest bei den Verbraucherpreisen noch nicht beobachten. Spannend wird es jedoch, welche Auswirkungen die Corona-Krise und der globale Lockdown der Weltwirtschaft auf das Angebot, die Nachfrage und die Preise von Gütern und Dienstleistungen haben wird. Aktuell sind die Preise für einige Lebensmittel bereits stark gestiegen, bspw. die für Milch in Deutschland im April um 8%. In den USA sind in 2 Monaten die Preise für Fleisch um 120% gestiegen, während die Löhne und Gehälter im Jahresvergleich um 7,9% zulegten, trotz Massenarbeitslosigkeit (36 Mio. neue Arbeitslose in nur 2 Monaten; Arbeitslosenquote ist von 3,5 auf fast 20% gestiegen). Da vor allem Geringverdiener arbeitslos geworden sind, ist der Effekt auf die gesamten Gehälter so stark positiv gewesen.

Hinzu kommen niedrige Wachstumsraten bzw. eine wirtschaftliche Rezession oder sogar Depression. Bereits seit der Finanz- und Wirtschaftskrise vor 12 Jahren wachsen die Industrieländer nur noch mit geringen Steigerungsraten. In diesem Jahr wird es aufgrund der Corona-Pandemie und den staatlich verordneten Shutdowns zu einem historisch nie gesehenen Wirtschaftseinbruch kommen. Eine hohe Verschuldung privater Haushalte, Unternehmen und Staaten aufgrund anhaltender Kreditausweitung ist eine weitere wichtige Voraussetzung für einen Crack Up Boom. In den meisten Ländern dieser Welt ist dies ebenfalls bereits seit Jahren gegeben und die Corona-Krise wird die Verschuldungsniveaus nochmals massiv erhöhen. Durch hohe Verschuldung müssen Staaten, Unternehmen und Haushalte einen immer größeren Teil ihrer Einkommen für Zinszahlungen und Schuldentilgung aufwenden – auch bei rekordniedrigen Zinsen – was ihr Investitionspotenzial senkt und somit auf dem Wachstum lastet.

In der ultralockeren Geldpolitik der Zentralbanken steckt die eigentliche Gefahr für eine folgende Katastrophenhausse. Denn dadurch könnte es Jahre später doch noch zu der gefürchteten Hyperinflation kommen. In ihrem Versuch sich der Rezession entgegenzustemmen oder einen Boom künstlich zu verlängern ohne Rücksicht auf die negativen Konsequenzen dieser Politik, injizieren die Zentralbanken und Regierungen über fiskalische Programme immer mehr Geld in die Wirtschaft. Dieses Vorgehen löst irgendwann einen fundamentalen Zusammenbruch der Wirtschaft aus, denn schlussendlich müssen ungesunde Exzesse bereinigt werden. Doch am Punkt des Zusammenbruchs können auch die geld- und fiskalpolitischen Programme den Zusammenbruch der Wirtschaft nicht mehr aufhalten, welcher sich schlagartig entlädt. An diesem Punkt hat die Zentralbank die Wahl: Entweder die Geldmengenausweitung nochmals zu erhöhen um den Unternehmen zu helfen, die steigenden Preise und Löhne zu bezahlen oder dies nicht mehr zu tun. Die gesunde Rezession im Zusammenhang mit Disinflation oder Deflation ist bei zweiterem die Folge. Der Crack Up Boom bricht sich bahn, wenn sich die Notenbank für das weitere, noch schnellere Gelddrucken entscheidet.

Der „Crack Up“ oder zu Deutsch das Auseinanderbrechen geschieht, wenn das Geld seine Funktionen als Geld in der Wirtschaft verliert und die Menschen ihm den direkten Warentausch oder andere Geldformen (wie bspw. Gold) vorziehen. Die Funktionen des Geldes sind das Fungieren als Wertaufbewahrungsmittel, Recheneinheit und anerkanntes Tauschmittel. An diesem Punkt hat die weitere Expansion der Geldmenge keinen Effekt mehr auf die Stimulierung der Wirtschaft und das Währungssystem bricht zusammen.

Befinden wir uns bereits in der Frühphase einer Katastrophenhausse?

Um dies mit Sicherheit sagen zu können ist es wahrscheinlich noch zu früh. Während einige Voraussetzungen für eine Katastrophenhausse absolut gegeben sind, wie hohe Verschuldung, stark expandierende Geldmengen, niedrige bzw. negative Wachstumsraten, steigende Sachwertpreise, staatliche Konjunkturprogramme zur Stützung der Wirtschaft, negative Realzinsen und in manchen Teilen eine gewisse Konsumentenpreisinflation, sind andere wichtige Voraussetzungen (noch) nicht erfüllt. So sind Anleihen bei Anleger immer noch stark gefragt, wohl auch aufgrund der stützenden Kaufprogramme der Notenbanken. Es müsste die angesprochene Flucht der Investoren aus Anleihen in Aktien stattfinden, welche noch nicht zu beobachten ist und die auch aufgrund von gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanleihequoten bspw. bei Versicherungen nicht so ohne weiteres stattfinden kann. Bedenkt man jedoch, dass die Sichteinlagen der Deutschen zuletzt auf ein Rekordniveau von gut 2,4 Billionen Euro gestiegen sind (inkl. Versicherungsforderungen sind es über 6,3 Mrd. €) und sie nur zu knapp 10% ihres Finanzvermögens in Aktien investiert haben, besteht enormes Potenzial für steigende Aktienpreise, sollte nur ein geringer Teil dieses Geldes in Aktien fließen. Käme dieser Stein erst einmal ins Rollen, wird er so schnell nicht mehr aufzuhalten sein, sollte eine Kaufpanik und die Angst davor etwas zu verpassen entstehen.

Dennoch könnte die aktuelle Corona Krise möglicherweise den Anstoß zum Ende der ungedeckten Papiergeldsysteme gegeben haben. Der zumindest temporäre Wirtschaftliche Kollaps ist auch durch massive Zentralbank- und Regierungsprogramme nicht aufzuhalten und durch gestörte Lieferketten sind manche Waren nur noch begrenzt verfügbar, was zu Preisanstiegen führt. Das Vertrauen der Bürger in die Notenbanken und Regierungen ist sowieso zumindest schon mal angeschlagen seit der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Corona Krise könnte hier das Fass zum Überlaufen bringen. Die nächsten Monate werden definitiv sehr spannend. Kann der komplette Kollaps verhindert werden und die Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht werden? Wir werden es eng beobachten!

Der Privatanleger, der nicht an gesetzliche Vorgaben einer Anleihenquote gebunden ist, sollte in jedem Fall in Sachwerte investieren, egal ob es nun zu einem Crack Up Boom kommt oder nicht. Der Grundstein für eine Vermögenspreisinflation und einen Kaufkraftverlust ist durch die ultraexpansive Geldpolitik in jedem Fall gelegt. Somit ist der Anleger gut damit beraten sein Vermögen breit über mehrere Anlageklassen in Aktien, Immobilien, Wald bzw. Land, Gold und auch in Fremdwährungen zu investieren. Bargeld bzw. Sichteinlagen sollten auf ein Minimum reduziert werden, da hier in jedem Fall reale Verluste entstehen. Die Zeit zu Handeln ist jetzt, denn niemand kann wissen wann es zum Zusammenbruch des Währungssystems kommt. Wenn er kommt überschlagen sich die Geschehnisse rapide.

Über den Autor

Thilo Cammann

Thilo Cammann fungiert als Ansprechpartner für unsere PRIVATE INVESTING-Strategien und unsere Advisor. Weiterhin unterstützt er das Investment Research, schreibt das monatliche Investment Radar und verantwortet das ETF-Research.