Ein Problem ist die hohe Inflation nicht nur für Verbraucher, sondern für das gesamte Wirtschaftssystem. Beispielsweise sorgen hohe Energiekosten zu Rückgängen in der Produktion und zu Wettbewerbsnachteilen. Zentralbanken steuern mit Zinsanhebungen dagegen, was wiederum Druck auf die Aktienrenditen auslöst. Für Anleger ist das eine verzwickte Situation, da Aktien gemeinhin als das erste Mittel der Wahl in puncto Inflationsschutz angesehen werden.

Die Zahlen haben es in sich: Die aktuelle Inflationsrate in der EU liegt Ende August dieses Jahres bei 9,1 %. Für Deutschland gibt das Statistische Bundesamt einen Wert von 7,9 % an. Dass die deutsche Inflationsrate etwas geringer ausfällt, liegt am Tankrabatt und am 9-Euro-Ticket. Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, verweist auf die Preiserhöhungen bei Energie und Nahrungsmitteln als Haupttreiber der Inflation.

Abbildung: Inflationsraten Deutschland, Quelle: www.inflationsrate.com, www.statista.com

Kerninflation: Warum?

Statistiker geben neben der klassischen Inflationsrate gerne auch die sogenannte Kerninflation an. Dabei handelt es sich um einen Inflationsmaßstab auf Basis eines eingeschränkten Warenkorbs, der weder Lebensmittel noch Energie beinhaltet. Der Grund liegt auf der Hand: Diese beiden Faktoren unterliegen großen Preisschwankungen und können mit Blick auf die gesamte Volkswirtschaft das Bild verzerren. Hinzu kommt, dass auch saisonale Effekte die Preisentwicklung beeinflussen. Neutralisiert man statistisch diese Verzerrungen, ergibt sich ein repräsentativeres Bild.

Dieses Konzept bleibt nicht ohne Kritik: Aus Sicht eines Statistikers mag die Kerninflation durchaus Sinn haben und ein besseres Bild der Lage geben. Für den Endverbraucher hingegen ist sie irrelevant, spielen doch in der aktuellen Marktphase gerade diese beiden ausgeschlossenen Faktoren die entscheidende Rolle beim realen Wertverlust des Geldes.

Rezession wohl unausweichlich

Wirtschaft und Industrie leiden gleich mehrfach unter den enormen Steigerungen der Energiepreise: Erstens sorgt die hohe Inflation für realen Vermögens- und Einkommensverlust bei Verbrauchern, was zu Konsumrückgang und somit zu Umsatz- und Gewinneinbußen führt. Zweitens verschlechtern die hohen Energiepreise die Wettbewerbssituation, da die Produktionskosten steigen. Beispielhaft sei der deutsche Textilhersteller Trigema angeführt: Nach Angaben des Firmenchefs Wolfgang Grupp haben sich die Gaskosten in den vergangenen zwei Jahren verzehnfacht. Regionen mit einer hohen eigenen Energieproduktion wie beispielsweise die USA haben die Nase vorn. Und drittens gießt der schwache Euro zusätzlich Öl ins Feuer. Da die Energieträger in US-Dollar gehandelt werden, müssen bei steigenden Preisen folglich noch mehr Euro aufgewendet werden – eine doppelte Preissteigerung sozusagen.

Unter diesen Gegebenheiten scheint eine Rezession zumindest nicht unwahrscheinlich zu sein.

Steigende Zinsen kontraproduktiv?

Weltweit versuchen die Zentralbanken gegenzusteuern, indem sie die Zinsen anheben. Nachdem die Fed hier die Führung übernommen hat, hat nach langem Zögern auch die EZB den Pfad der Zinserhöhungen eingeschlagen. Am 08.09.2022 erfolgte sogar ein deutlicher Zinsschritt in Höhe von 75 Basispunkten.

Lange wurde die EZB für ihr zögerliches Verhalten kritisiert, doch es gibt auch Stimmen, die die Zinserhöhungen kritisch sehen. Nachdem Corona bereits eine deutliche Delle im Wirtschaftswachstum hinterlassen hatte, erhöhen steigende Zinsen die Gefahr für Erholung und Wachstum signifikant, da sich die Welt in einer geopolitischen Auseinandersetzung befindet, die sich primär im Energiesektor widerspiegelt. Eine Verteuerung des Geldes könnte die zaghafte Erholung gänzlich zunichtemachen, zumal sich die Hauptfaktoren für die Inflation dem Einflussbereich der EZB entziehen. Sowohl die hohen Energiekosten als auch die Lebensmittelverknappung sind das Ergebnis externer Ereignisse. Hinzu kommt, dass einige Staaten der EU wie beispielsweise Italien von niedrigen Zinsen abhängen.

Dennoch scheinen sowohl die Fed als auch die EZB glaubhaft an ihrer Zinsstrategie festhalten zu wollen. Die EZB hat in ihrer Begründung für den letzten Zinsschritt darauf hingewiesen, dass sie kurzfristig eine Erhöhung der Inflation für wahrscheinlich hält – ein verdeckter Hinweis auf weitere Zinsschritte?

Trotz aller Kritik ist das Handeln der EZB richtig, auch wenn sich der Hauptteil der Inflation ihrem Einflussbereich entzieht. Diese jedoch zu ignorieren, würde langfristig die Kosten von Wirtschaft und Gesellschaft deutlich steigern und sie über das Niveau einer möglichen Rezession heben – mit langfristigen Folgen.

Die Fed geht hier erneut voran. Sie hat am 21.09.2022 den Leitzins um 75 Basispunkte angehoben. Der Leitzins bewegt sich nun in der Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent. In ihrem Zinsausblick signalisieren die US-amerikanischen Währungshüter, dass sie bis zum Jahresende den Zins im Mittel auf ein Niveau von 4,40 Prozent anheben wollen.

Ob es nun zum sogenannten Volcker-Effekt kommt, weil die Zentralbanken unter Federführung der Fed die Zinsen anheben, oder nicht, sei dahingestellt. Fakt ist jedoch: „Die Inflation ist Staatsfeind Nummer eins für die Fed!“, um es mit den Worten einer Anlagestrategin beim Brokerhaus TD Securities zu sagen (Quelle: www.ntv.de).

Fazit

In der aktuellen Marktphase scheint eine Rezession unausweichlich. Steigende Zinsen sorgen zudem für rückläufige Aktienrenditen, d. h., nicht jedes Aktieninvestment eignet sich als Inflationsschutz. Dennoch bieten sich Möglichkeiten für Anleger: Ein breit diversifiziertes Portfolio sorgt für eine sinnvolle Risikostreuung. Eine vernünftige Basis aus Mischfonds sollte um solche Aktienfonds ergänzt werden, die auf Qualitätswerte setzen. Interessant sind beispielsweise solche Unternehmen, die in der Lage sind, steigende Preise auch durchzusetzen. Dividendenfonds mit stringentem Stock-Picking-Ansatz bieten sich als attraktive Beimischung an. Darüber hinaus können im aktuellen Marktumfeld auch sogenannte „Strategiefonds“ einen Mehrwert auf Portfolioebene liefern.

Über den Autor

Sasa Perovic

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