Jeder der bereits einen Marathon in Angriff genommen hat weiß, dass Disziplin und Ausdauer die alles entscheidenden Faktoren sind. Und wer bereits einen Ultramarathon absolviert hat – so wie Cliff Young 1983 – weiß um die Wichtigkeit einer ausgeklügelten Strategie. Fondsmanager können viel daraus lernen.

Wir schreiben das Jahr 1983. In Australien findet ein Ultramarathin statt. 875 Kilometer führen durch den Süden von Sidney nach Melbourne. Damit gilt dieses Rennen als eines der härtesten der Welt. Nur die weltbesten Läufer trauen sich, diese Herausforderung anzunehmen. Sieben bis acht Tage benötigen die Spitzensportler für diese Distanz.

50.000 Zuschauer haben sich am „D-day“ im Stadion von Sidney versammelt und feiern die 150 Teilnehmer frenetisch. Um die Strapazen zu überstehen hatten die besten Sportärzte und Fachleute im Vorfeld akribisch an der perfekten Strategie gefeilt. Das Ergebnis: Laufen, Massieren und fünf Stunden Schlaf waren die Regel. So sollte die Energie der Läufer optimal aufgeteilt und ihre Gesundheit geschont werden. Und tatsächlich sollten sich alle daranhalten. Bis auf einen.

Schon während der Aufwärmphase fällt Reportern und Zuschauen ein älterer Mann auf. Jenseits der 60 Jahre und ohne Vorbereitung ist er eigentlich ungeeignet für diesen Lauf. Zumal er mit seiner Kleidung eher an einen Bauern erinnert denn an einen Spitzensportler. Die anwesenden Ärzte und Journalisten versuchen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. In seinem Alter und ohne jahrelanges, hartes Training ist der Lauf nicht durchzustehen!

Doch Cliff Young, das ist sein Name, lässt sich nicht von seinem Willen abbringen. Belächelt und nicht ernst genommen startet er gemeinsam mit 150 Teilnehmern, darunter 18 der absoluten Top Läufer, die Creme de la Creme der damaligen Marathon Szene. „Er wird seine Mitläufer nicht mehr widersehen!“ – so die Stimme des Stadionsprechers.

Abbildung: Cliff Young bei einem späteren Lauf (Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Cliff_Young_(athlete))

Und schon sehr schnell zeigt sich was alle vorausgesagt haben: Mit seinen kleinen, fast lustig anmutenden Trippelschritten und seinen schweren Stiefeln hat der alte Mann keine Chance mitzuhalten. So erreicht er das erste Zwischenziel mit einer Verspätung von mehreren Stunden.

Am nächsten Morgen dann die große Überraschung: Cliff Young hat die Schlafgelegenheit nicht genutzt. Stattdessen ist er einfach weitergelaufen und wird dennoch, oder gerade deswegen, von der Presse und seinen Konkurrenten nun noch mehr belächelt. Schon nach wenigen Stunden wird er von den Profis wieder eingeholt und weit zurückgelassen. Der Vorsprung am zweiten Etappenziel ist allerdings auf zwei Stunden geschrumpft. Aber auch in dieser Pause nimmt Cliff Young nicht von der ihm angebotenen Schlafgelegenheit Gebrauch. „Ich wusste nicht, dass das alles so organisiert ist.“ sagt er zu den Journalisten und läuft einfach weiter. Im Rucksack hatte er übrigens seine eigene Verpflegung dabei.

Und nun beginnt sich das Blatt langsam zu wenden. Um an die Worte des Stadionsprechers anzuknüpfen: Cliff Young hat seine Mitläufer tatsächlich nicht mehr wiedergesehen. Denn als diese am nächsten in die dritte Etappe starten ist sein Vorsprung zu groß und sie können ihn nicht einholen. Mehr noch: In den darauffolgenden Nächten gönnt sich der Außenseiter nur jeweils eine kurze Schlafpause von gerade einmal einer Stunde. Am Ende gewinnt Cliff Young den Ultramarathon über 875 Kilometer mit einem sagenhaften Vorsprung von 1,5 Tagen!

Beständigkeit und Ausdauer – Vorbild für Fondsmanager

Cliff Young, ein australischer Kartoffelbauer und Schafzüchter hat das Unmögliche geschafft. Mit enormer Ausdauer, Willensstärke und seiner Strategie der kleinen Trippelschritte („Cliff Young Shuffle“ wurde das später genannt und von vielen Läufern übernommen) hat er der Fachwelt gezeigt, worauf es wirklich ankommt. Nicht die zwischenzeitlichen Erfolge waren ihm wichtig. Stattdessen hat er beständig und unbeirrt an seiner Strategie festgehalten und nur das finale Ziel vor Augen gehabt.

Für mich und viele Marathonbegeisterte ist Cliff Young zweifelsohne ein Held der auch unserer Branche als Vorbild dienen kann. Schauen wir uns mal exemplarisch Fondsmanager an. Entgegen der Behauptung der ETF-Anhänger gibt es tatsächlich Fonds die den Markt schlagen. Doch nur die wenigsten von ihnen schaffen das mit einer hohen Beständigkeit.

Bei der Fondsselektion im Investment Research achten wir daher sehr stark auf die Stabilität der erzielten Ergebnisse. Nehmen wir beispielsweise Aktienfonds. Ein Fonds mit einem hohen Alpha ist nicht die beste Wahl, wenn dieses Alpha nicht stabil ist und nicht das Ergebnis eines vernünftigen Managementprozesses ist. Auf der quantitativen Kennzahlenebene setzen wir „Alphastabilität“. Sie zeigt an, wie stabil das zum Stichtag gemessene Alpha in der Vergangenheit aufgebaut worden ist.

Ich möchte Ihnen das graphisch anhand eines Beispiels verdeutlichen. Zwei Fonds haben beide über fünf Jahre ein Alpha in Höhe von 50% erzielt. Im Idealfall wären diese 50% kontinuierlich mit einer perfekten Stetigkeit aufgebaut worden.

Abbildung: Beispielverlauf der Alphastabilität – mit und ohne Stetigkeit, Quelle: BfV Investment Research

Die Graphik zeigt, wie das Alpha im historischen Zeitverlauf kumuliert wurde. Fonds A (linke Graphik) hat sein Alpha von 50% nur in der Post Corona-Phase aufgebaut. Der Manager hat hier zweifelsohne auf das richtige Pferd gesetzt. In den Phasen davor hat er allerdings keinen Mehrwert gebracht. Fonds B hingegen hat sein Alpha (welches ebenfalls bei 50% liegt) beständig erzielt. Mal lag er leicht vorne, mal lag er leicht zurück. Summa summarum zeigen sich aber keine großen Abweichungen.

Fondsmanager B ist in diesem Beispiel bei der Selektion vorzuziehen. Er lässt für die Zukunft eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit erwarten und liefert Anlegern daher einen deutlich größeren Nutzen. Selbst wenn sein Alpha geringer ausgefallen wäre oder er in irgendwelchen Ranglisten nicht auf Platz eins steht, ist seine Leistung höher zu bewerten als bei Fonds A.

Und genau das ist der Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem wirklich erfolgreichen Fondsmanager. Letzterer erzielt seine Ergebnisse mit Ausdauer und Beständigkeit und lässt sich nicht zwischendurch beirren. So wie Cliff Young.