Gepaart mit niedrigen bzw. kaum vorhandenen Zinsen ergibt sich aktuell im Hinblick auf die hohe Inflation eine ernstzunehmende Situation. Seit nunmehr 30 Jahren haben wir in Deutschland keine so hohe Inflation erlebt. Damals lag der hohen Inflation die deutsche Wiedervereinigung zu Grunde.
Abbildung: Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) Deutschland seit November 2019; Quelle: Statistas
Und was sind heute die Gründe für die hohe Preissteigerung? Klassische Modelle versagen hier in der Erklärung. Dazu gehört beispielsweise die Quantitätstheorie des Geldes, nach der die Preisentwicklung von der Geldmenge abhängt. Aufgrund der enormen Anleihenaufkäufe sei es, so viele Kritiker der EZB-Politik, nur eine Frage der Zeit, bis sich das in steigenden Preisen wiederspiegelt. Doch die Theorie greift zu kurz. Der hier postulierte Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation ist lediglich langfristig gegeben. Für den kurzfristig rasanten Anstieg liefert die Quantitätstheorie keine Erklärung.
Tatsächlich sind die Gründe in den sogenannten Sondereffekten zu suchen. Erstens wurde im Zuge der Corona Krise vergangenes Jahr die Mehrwertsteuer zeitlich begrenzt gesenkt. Mittlerweile liegt sie wieder auf dem ursprünglichen Niveau, was sich zum großen Teil auf das Preisniveau auswirkt. Zweitens: Die Produktionsketten befinden sich derzeit in einem Störmodus. Grund sind Schwierigkeiten in den Zulieferungsmechanismen, was zur Folge hat, dass die Produktion nicht optimal läuft. Beispiel Erdöl. Die stark gesunkene Nachfrage im vergangenen Jahr (wir erinnern uns: phasenweise lag der Erdölpreis sogar im negativen Bereich, wenn auch nur kurzfristig) führte dazu, dass Förderkapazitäten abgebaut wurden.
Diese nun bei steigender Nachfrage wieder aufzubauen, braucht Zeit. Aufgrund des verknappten Angebots steigen die Preise daher deutlich. Die Ökonomen nennen das den Schweinezyklus. Damit wurde im vorletzten Jahrhundert zum ersten Mal das Problem in der Schweinezucht beschrieben. Fielen die Preise für Schweinefleisch, haben Bauern die Schweinezucht heruntergefahren. Das aber hatte zur Folge, dass im kommenden Jahr eine Preissteigerung vorprogrammiert war. Eine schnelle Steigerung des Angebots war naturgemäß dann jedoch nicht möglich, so dass die Preise wieder stiegen. Zurück zum Erdöl: Tatsächlich machen laut statistischem Bundesamt die gestiegenen Energiekosten einen signifikanten Anteil an der Gesamtinflation aus.
Doch was heißt das nun für die weitere Entwicklung der Inflation? Geht sie zurück oder bleibt sie auf dem hohen Niveau?
Tatsächlich gehen viele Inflationsforscher davon aus, dass sich die Situation beruhigt, die Inflation aber nicht auf das ursprünglich sehr niedrige Niveau zurückgeht. Die Gründe:
Lieferkettenproblematik: Diese kann zwar in einem absehbaren Zeitrahmen lösbar sein. Dennoch besteht hier auch die Gefahr, dass sie verstärkt wird, insbesondere aufgrund nachgelagerter Effekte. Wirkliche Prognosen sind hierzu derzeit nicht möglich. Und bei den Energiepreisen stehen die Chancen zwar gut, dass es zu einer Entspannung im Laufe des nächsten Jahres kommt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es keine Störfeuer seitens der Politik gibt. Denn auf globaler Ebene ist ein immer komplexer werdender Kampf um die Vorherrschaft in den Bereichen Energie und Technologie. Und tatsächlich wird diese Kampf immer offener ausgetragen.
Die hohe Inflationsrate führt auch zu höheren Lohnforderungen, was im schlimmsten Fall eine Lohn-Preis-Spirale auslösen kann. Hinzu kommen steigende Steuersätze. All das wird die Inflation zwar nicht dauerhaft auf dem aktuell hohen Niveau aber doch über dem Niveau der letzten Jahrzehnte halten.
Corona: Wie gefährlich ist Omrikon für die Konjunktur? Fed und EZB bewerten unterschiedlich
Ein weiterer Faktor muss beachtet werden: In puncto Corona ist nach wie vor keine endemische Lage erreicht. Nach Angaben des Virologen Christian Drosten ist es wahrscheinlich, dass die aktuelle Situation noch drei weitere Jahre anhält. Sollte die neue Virusvariante Omrikon ansteckender und gefährlicher sein als bisherige Varianten, droht hier ein Rückschlag für die laufende konjunkturelle Erholung und den Arbeitsmarkt und hat somit direkte Effekte auf Inflation. Denn: Erweisen sich die Befürchtungen bei Omrikon als richtig, könnte in vielen Bereichen die Arbeitsbereitschaft der Menschen zurückgehen und die oben beschriebene Lieferkettenproblematik nochmals verstärkt werden. US-Notenbank Chef Powell wird hier sehr deutlich: Er rechnet nicht mit einer schnellen Entspannung in 2022 und sieht eine Gefahr, dass die neue Virusvariante die Preisspirale ankurbelt. Das könnte zur Folge haben, dass die Fed ihren Tapering Kurs – also das Zurückfahren der Anleihenkäufe – überdenkt! Somit ist die Fed im Vergleich zur EZB in puncto Inflation deutlich pessimistischer eingestellt.
Denn diese hingegen sieht noch gar keinen Grund für einen raschen Kurswechsel. Anleihenkäufe sollen sogar verlängert werden. Insgesamt sei die Inflation „von ihrer Größenordnung her durchaus erwartet worden“, so die EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Sie räumt aber auch ein, dass die früheren Prognosen der EZB einen so schnellen Anstieg nicht erwartet haben.
Ob und was die frühere Fehleinschätzung für zukünftige Entscheidungen bedeutet, sei dahingestellt. Fest steht: Auch die EZB wird mit Argusaugen die Situation beobachten, zumal ihre Möglichkeiten beschränkt sind. Eine Zinserhöhung beispielsweise wäre nicht optimal. Zu stark hängen einige Staaten, wie z.B. Italien, von niedrigen Zinsen ab.
Der Ketchup Effekt
Und wie reagieren die Wirtschaftsteilnehmer? Das lässt sich nicht prognostizieren, aber spieltheoretisch greifen: Solange diese die Inflation nicht auf dem Schirm haben und auch nicht als Gefahr einstufen, wird kaum etwas passieren. Sobald sie diese jedoch aktiv wahrnehmen, beginnen Sie, ihr Verhalten zu ändern, indem sie sich „inflationskonform“ benehmen, beispielsweise durch höheren Konsum. Die steigende Nachfrage sorgt aber für Preisdruck und für höhere Lohnforderungen die dann wiederum, so sie denn erfolgreich sind, den Konsum ansteigen lassen – ein Teufelskreis. Im Ergebnis ergibt sich ein sich selbst verstärkender Effekt, dem die EZB nur schwerlich etwas entgegensetzen kann. Die Ökonomen beschreiben das mit dem „Ketchup Effekt“: Schüttelt man eine Ketchup-Flasche so passiert zunächst einmal gar nichts. Aber irgendwann fängt der Ketchup dann doch an zu fließen – möglicherweise in einer deutlich größeren Menge als gewünscht.
Fazit: Vieles spricht dafür, dass sich die Inflation in absehbarer Zeit wieder auf einem normalen Niveau einpendeln wird, welches allerdings über dem Niveau der letzten Jahre liegen wird. Anleger können durch eine strategische Ausrichtung ihres Portfolios einem Wertverlust gegensteuern und für reale Renditen sorgen. Dazu bieten sich beispielsweise globale Aktien an, die in der Lage sind, steigende Preise in den Produktionsketten auch weiterzugeben. Auch stabile Dividendentitel können dazu gehören. Der Fokus sollte klar auf realen Vermögenswerten liegen und im Anleihenbereich auf kurzen Durationen.
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