Sell in May – and go away!, sagt eine alte Börsenweisheit. Was bedeutet diese Regel? Was sagt die Statistik über ihren Sinn aus? Was spricht dafür und was dagegen, die Regel zu befolgen? Halte ich mich an die Regel?

Die Regel stammt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich. In seinem ursprünglichen Kontext empfahl das Sprichwort britischen Investoren, ihre Aktien im Mai zu verkaufen, sich zu entspannen, die Sommermonate zu genießen und der Londoner Hitze entfliehen, um im Herbst an die Börse zurückzukehren.

Was sagt die Statistik? Seit 1945 verzeichnete der S&P 500 Index im Zeitraum von November bis April einen kumulierten sechsmonatigen Durchschnittsgewinn von 6,7 %, verglichen mit einem durchschnittlichen Zuwachs um etwa 2 % zwischen Mai und Oktober.

Es gibt zwei Aspekte, die für die Regel sprechen: Passenderweise schließt die Halteperiode zwischen Oktober und April den „Januar Effekt“ mit ein. Dem Januar werden besonders positive Kurszuwächse an den Aktienmärkten zugesprochen. Der Mai-Regel kommt zudem zugute, dass in den Monaten November und Dezember aus steuerlichen Gründen eher Verkäufe getätigt werden. Das gilt ironischerweise insbesondere dann, wenn die Zeit bis zum Mai positive Ergebnisse gezeitigt hat.

Welche Einwände gibt es?

Zum einen gilt es bei statistischen Auswertungen aufzupassen: Ergebnisse lassen sich durch die Wahl von Start- bzw. Endzeitpunkt und des Index selbst gut „gestalten“. Die Analyse zeigt zum anderen auch in den Sommermonaten positive Renditen. Schließlich: Verpasst man mit dem zweiten Teil der Mai-Regel „And remember to come back in September“ nicht die „Sommerrallye“?

Gilt die Regel noch? Sollte man sie befolgen?

Ich tendiere zu einem Nein, und das hat mehrere Gründe: Die Börsen haben in den letzten Jahrzehnten viele Problemzonen „weggesteckt“. Doch der aktuelle Giftcocktail ist hoch dosiert und historisch einzigartig: von Corona bis Ukraine-Krieg, von Deglobalisierung bis Staatsverschuldung. Den Blick in die Historie, in die Statistik, erachte ich deshalb als nicht hilfreich. Meine Börsenregel lautet: „Diversifiziere!“ Ich halte es für fahrlässig, alle Aktien im Mai zu verkaufen. Irgendetwas läuft immer! Es gilt herauszufinden, welche Schwerpunkte sich für den Sommer eignen. Lang lebe die Branchenrotation!

Ihr

Rolf Krahe

Rolf Krahe ist seit Jahrzehnten an den Kapitalmärkten aktiv. Die Themen des Diplom-Ökonom sind der Aufbau von Wertpapierportfolios und die Kommunikation von Kapitalmarktentwicklungen. Er unterstützt die Berater auch bei der Ersteinrichtung des Investment-Shops mit Modellportfolios und Private Investing Varianten, Fonds und ETFs. Rolf Krahe steht bei allen Themen mit Rat und Tat zur Seite. 

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