Als zu groß, um zu versagen, bezeichnet man Finanzinstitute, deren Insolvenz gravierende Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben würde. Sie sind „systemrelevant“ und werden – koste es, was es wolle – im Krisenfall gerettet: durch einen sogenannten „Bail-out“.

Das erste „too big to fail“ genannte Ereignis war eine Bankenpleite im Jahr 1984. Betroffen war die Continental Illinois National Bank als seinerzeit siebtgrößte US-Bank. Den Fall nahm die US-Regierung 1994 zum Anlass, mit dem „Riegle-Neal Interstate Banking and Branching Efficiency Act“ Spielregeln zu definieren, die Wiederholungsfälle verhindern sollten.

Im Jahr 2008 wurde der Riegle-Neal Act strapaziert, als es darum ging, nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers eine dramatische Wirtschaftskrise zu verhindern. Diese Pleite zeitigte weitere gesetzliche Restriktionen, z. B. den Dodd-Frank Act im Jahr 2010. Die Gesetze sehen einen Genehmigungsvorbehalt seitens der Zentralbank und des Justizministeriums vor, die Bankenfusionen untersagen können, wenn die Summe der Einlagen des neuen Instituts die Höhe von 10 % der gesamten Einlagen der USA überschreitet. Die sogenannte „10%-Regel“ basiert auf der Annahme, dass Institute mit besonders hohen Einlagen faktisch den Status der Systemrelevanz erlangten, womit der Druck entstünde, sämtliche Kundeneinlagen dieser Institute in jedem Fall zu sichern. Einerseits wäre das bei Großbanken nur schwer finanzierbar, andererseits hätte es Wettbewerbsverzerrungen zur Folge, da kleinere Institute mangels unlimitierter Einlagengarantie höhere Einlagenzinsen zu zahlen hätten. Eine nachhaltige Beeinträchtigung von deren Geschäftslage könnte unerwünschte Folgen mit sich bringen.  

Der Begriff „too big to fail“ gewann mit einem nach ihm benannten Filmdrama an Popularität. Der Film aus dem Jahr 2011 stellt die Ereignisse um die Lehman-Pleite nach.  

Seit März dieses Jahres gibt es abermals Turbulenzen in der Bankenbranche. Ursächlich sind drei Faktoren: schnelle und starke Zinserhöhungen der US-Zentralbank, die Aufhebung von Teilen der bisherigen Regulierungen und ein schlechtes Bankmanagement. Im März wurden die Silicon Valley Bank und die First Republic Bank als too big to fail eingestuft. Die Silicon Valley Bank war ein wichtiger Baustein in der Finanzierung von IT-Unternehmen, die First Republic Bank die Nummer 16 der US-Bankenlandschaft, gemessen an der Marktkapitalisierung. Die beiden Banken mittlerer Größe wurden von Konkurrenten übernommen.

Ein Wirtschaftskollaps blieb bislang aus. Die Akteure – die Zentralbanken, Regierungen, Einlagensicherungs- und Aufsichtsbehörden – haben aus der Vergangenheit gelernt und ihre Mechanismen zur Bewältigung eskalierender Krisen optimiert. Der Einlagensicherung kommt dabei eine bedeutende Stellung zu. Denn neben Kleinsparern hatten in diesen beiden Fällen auch bedeutende Unternehmen existenzielle Teile ihrer Liquidität dort angelegt. Das erforderte seitens der US-Einlagensicherungsinstitution die Garantie sämtlicher Einlagen, unabhängig von ihrer Höhe.

In Europa erfolgte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im März die Rettung der angeschlagenen Schweizer Großbank Credit Suisse: Sie wurde von ihrer Konkurrentin UBS übernommen. Die schiere Größe des neuen Instituts prägte einen neuen Begriff: „too big to bail“. Er deutet an, dass die um die Credit Suisse gewachsene UBS nun für eine Rettung durch die Schweizer Regierung, Zentralbank und Einlagensicherung wahrscheinlich zu groß sein dürfte.   

Die Turbulenzen setzten sich im April fort, als in den USA die oben angeführte gesetzliche 10%-Regelung ad absurdum geführt wurde. Die Akteure führten gezielt eine Verschmelzung der strauchelnden First Republic Bank mit dem Branchenprimus JPMorgan herbei, der bereits über einen sehr hohen Einlagenbestand verfügt und die 10%-Grenze nun übersteigt.

Der Branchenprimus JPMorgan ist jetzt unwiederbringlich too big to fail. Die Aktienkurse weiterer mittlerer und kleinerer Banken sind daher Ende April unter Druck geraten. Die Folgen sind aktuell noch nicht abzusehen.

Ihr 

Rolf Krahe und Sasa Perovic

Rolf Krahe ist seit Jahrzehnten an den Kapitalmärkten aktiv. Die Themen des Diplom-Ökonom sind der Aufbau von Wertpapierportfolios und die Kommunikation von Kapitalmarktentwicklungen. Er unterstützt die Berater auch bei der Ersteinrichtung des Investment-Shops mit Modellportfolios und Private Investing Varianten, Fonds und ETFs. Rolf Krahe steht bei allen Themen mit Rat und Tat zur Seite. 

Bei Rückfragen können Sie sich jederzeit gerne an mich wenden
E-Mail: rolf.krahe@bfv-ag.de
Tel.: +49(6171)9150-536