Der unerwartete Kriegsbeginn in der Ukraine lässt auch Anleihenanleger aufhorchen. Denn: Aufgrund steigender Inflation wächst der Druck auf die Zentralbanken, mit ersten Zinsschritten zu beginnen. Doch wie wirkt sich eine Zinsanhebung auf bestehende Anleihen aus? Welche Risiken gehen Anleger ein? Wir klären auf und zeigen Ihnen, wie das „Werkzeug Zins“ unmittelbaren Einfluss auf Ihre Anleihen hat und welche Fondskategorien betroffen sind.

Grundsätzlich gelten Anleihen als „sicherer Hafen“. Sie weisen im Allgemeinen geringe Schwankungen auf, zahlen einen regelmäßigen Kupon und werden am Ende der Laufzeit wieder zu ihrem Nennwert zurückgezahlt (der Einfachheit halber vernachlässigen wir an dieser Stelle die Bonitätsrisiken und etwaige Risiken aus Wechselkursschwankungen bei Anleihen in Fremdwährungen). So weit, so gut. Doch ist ein Anleihenengagement tatsächlich gänzlich risikofrei? Anleger sollten genau hinsehen. Seit Jahren befinden wir uns in einem Marktumfeld niedriger, bei vielen Staats- und Unternehmensanleihen sogar negativer Zinsen. Doch damit könnte bald Schluss sein. Denn die Inflation legt kräftig zu und bringt die Notenbanken unter Zugzwang.

Auch wenn der Duden die Schreibweise Coupon empfiehlt, halte ich für das Bankwesen die Schreibweise Kupon für besser, weil verbreiteter.

Quelle: Bundesbank


Welche Risiken bringt das für Anleihenbesitzer? Lassen Sie uns zunächst auf die grundlegende Funktionsweise einer Anleihe eingehen. Eine Anleihe stellt ein Darlehen des Anleihenkäufers an den Emittenten dieser Anleihe dar. Emittenten können Regierungen, Unternehmen oder auch beispielsweise Kommunen sein. Nach dem Erwerb erhält der Anleihenkäufer periodische Kuponzahlungen – meist im Jahresrhythmus – und am Ende der Laufzeit auch wieder sein Anlagekapital.

Wonach richten sich nun die periodischen Kuponzahlungen? Sie stellen die Verzinsung bzw. die Risikoprämie für den Darlehensgeber (= Investor) dar. Und für die Bewertung des Risikos sind vorrangig folgende Faktoren relevant:

Erstens: Bonität. Wie hoch die Verzinsung ist, hängt u. a. von der Bonität des Emittenten ab. Je höher die Bonität, desto geringer der Zinssatz. Das ist klar. Extremes Beispiel: Deutsche Staatsanleihen zeigen seit Jahren eine Verzinsung von 0 %, da sie als absolut sicherer Hafen gelten.

Zweitens: Laufzeit. Auch das ist logisch, geht der Investor doch weitere Risiken ein, je länger die Laufzeit ist. Bei einer 30-jährigen Anleihe können sich während der Laufzeit deutlich mehr neue negative Faktoren ergeben als bei einer fünfjährigen Anleihe. So könnte beispielsweise die Bonität des Emittenten zu Beginn sehr gut sein, im Zeitablauf aber abnehmen. Wie der Zins von der Laufzeit abhängt, zeigt übrigens die sogenannte Zinsstrukturkurve.

Drittens: Zinsniveau. Solange das Zinsniveau stabil ist, gibt es diesbezüglich keine Änderungen bei den Anleihekursen. Sobald jedoch das Zinsniveau in Bewegung kommt, hat das Auswirkungen auf den Kurs einer Anleihe.

Wie genau funktioniert dieser Zinsmechanismus? Erneut vereinfachen wir zum leichteren Verständnis: Für den Wert einer Anleihe sind der Kurs sowie der jährliche Ertrag entscheidend. Die Gesamtrendite am Ende der Laufzeit ergibt sich demnach aus dem Kaufpreis sowie den gezahlten Kupons der Anleihe.

Szenario sinkender Zinsen:

Bei fallenden Zinsen erhöht sich der Wert einer bereits emittierten Anleihe, da sie in einem Umfeld höherer Zinsen ausgegeben wurde und demnach einen höheren Kupon auszahlt. Anleger, die ältere Anleihen besitzen, erzielen somit eine „Prämie“, wenn sie ihre Anleihen am Sekundärmarkt verkaufen. Warum? Die unveränderte Kuponzahlung ist vergleichsweise hoch und macht die Anleihe attraktiv. Diese Attraktivität schlägt sich in einem steigenden Kurs für die Anleihe nieder. Der bereits investierte Anleger bekommt neben seinem Kupon also einen zusätzlichen Kursgewinn.

Szenario steigender Zinsen:

Bei steigenden Zinsen verhält es sich genau umgekehrt. Bereits emittierte Anleihen verlieren an Wert, denn ihre Kuponzahlungen sind verhältnismäßig gering. Dementsprechend werden die Anleihen mit einem Abschlag gehandelt.

Beispiel: Eine Anleihe notiert zu 99 Euro. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre.
Der Zins steigt von 0 % auf 1 %.

Wo liegt nun der neue Wert der Anleihe? Dazu zinsen wir den aktuellen Kurs der Anleihe (in diesem Fall 99 Euro) mit der Zinsdifferenz (in diesem Fall: 1 % − 0 % = 1 %) über zehn Jahre ab.

Ergebnis: 89,63 Euro – die Anleihe fiele in diesem Fall also um rund 9,5 %!

Somit ist der Wert der Anleihe gesunken.

Merke: Die Kursentwicklung einer Anleihe verhält sich entgegengesetzt zur Entwicklung des Zinssatzes. Steigt der Zins, fällt der Kurs der Anleihe. Sinkt der Zins, steigt der Kurs der Anleihe.

Vor dem Hintergrund, dass Anleihen gemeinhin als schwankungsarm gelten, stellt dieser Umstand ein großes Problem dar. Gewiss: Wird die Anleihe bis zum Laufzeitende gehalten, ergibt sich eine Rückzahlung zum Nennwert und das Risiko ist wieder egalisiert. Doch nicht nur können die zwischenzeitlichen Drawdowns erhebliche Kopfschmerzen bereiten, auch können Anleihen im Rahmen einer Portfoliooptimierung ihre Funktion als „Stabilisator“ mitunter gänzlich einbüßen. 

Noch deutlicher wird dieser Effekt, wenn der Zins beispielsweise auf 2 % steigt. Dann wird der Kurs der Anleihe zehn mal (zehn Jahre Laufzeit) um 2 % abgezinst. Heraus kommt: 81,21 Euro – über 18 % Kursverlust! Allein von der Risikobetrachtung kommen wir damit fast in die Sphären von Aktieninvestments.

Sie sehen: je stärker die Zinserhöhung, desto stärker der Abschlag beim Anleihenpreis, da dieser eben um den Wert der Zinserhöhung über die Laufzeit abgezinst wird.

Und was ist mit 100-jährigen Anleihen? Ja, Sie haben richtig gelesen: Es gibt tatsächlich Staaten, die hundertjährige Anleihen begeben. Würde hier der Leitzins von 0 % auf 1 % steigen, würde der Kurs der Anleihe von zum Beispiel aktuell 100 Euro auf bis zu 37 Euro sinken – der Kursverlust wäre also gigantisch!

Das ist sicherlich ein extremes Szenario, aber es verdeutlicht die Zinssensitivität von Anleihen.

Duration: Wann ist meine Anleihe gegen Zinsänderungsrisiken immun?

Bei jeder Anleihe gibt es eine Haltedauer, ab der sie gegen Zinsänderungen immun ist. Dieser als „Duration“ bezeichnete Zeitraum wird in Jahren angegeben. Eine Duration von beispielsweise 6,5 bedeutet, dass die Anleihe 6,5 Jahre gehalten werden muss, um keine negativen Effekte durch Zinsänderungen mehr befürchten zu müssen.

Die sogenannte „Modifizierte Duration“ gibt die Sensitivität einer Anleihe in Abhängigkeit einer Zinsänderung an und beschreibt die ungefähre Veränderung eines Anleihenkurses bei einer Zinsänderung von 100 Basispunkten (einem Prozentpunkt). Das Schöne an dieser Kennzahl: Sie macht Anleihen vergleichbar. Ein Anleger kann nun im Universum der gehandelten Anleihen anhand der Duration erkennen, welche Anleihe (ceteris paribus) zu seiner Risikostruktur und seinem Anlagehorizont passt.

Nota bene: Bei einer Nullkuponanleihe sind Duration und Laufzeit ein und dasselbe, da es keine regulären Kuponzahlungen gibt und sämtliche Cashflows zum Fälligkeitstermin erfolgen. Aufgrund dieser Eigenschaft vollziehen Nullkuponanleihen bei Änderungen der Zinssätze im Allgemeinen die stärksten Preisbewegungen, was sie attraktiv für Anleger machen kann, die mit einem sinkenden Zinsniveau rechnen.

Welche Anleihenkategorien sind am stärksten betroffen?

Sollten die Zinsen steigen, wird sich das nicht gleich auf alle Anleihen bzw. Anleihenkategorien auswirken. Wie der hier dargelegte Zinseffekt auf den Anleihenkurs zeigt, sind mittel- und langfristige Anleihen am stärksten betroffen. Bei ihnen ist mit einem signifikanten Kursrückgang zu rechnen, sollte der Leitzins steigen. Unsere TopFonds Liste weist übrigens mehrere Anleihenkategorien auf, die wir auch nach der Laufzeit unterteilt haben.

Eine weitere Aufteilung von Anleihenfonds kann danach erfolgen, ob es sich um sogenannte „Alleskönner“ oder um „Spezialisten“ handelt. In Erwartung steigender Zinsen sehen wir bei den Spezialisten aktuell die größeren Chancen auf Erträge als bei den Alleskönnern. Zwei solcher Spezialisten sind beispielsweise der Aramea Rendite Plus (Nachranganleihen von Banken und Versicherungen) und der Lloyd Fonds – Sustainable Yield Opportunities (ebenfalls sehr stark im Bereich der Nachranganleihen, jedoch stark konzentriertes Portfolio, Fokus auf klassische Unternehmen). Beide Fonds haben immer wieder gezeigt, dass sie einen Mehrwert generieren können. Die Duration liegt bei rund drei Jahren.

 

Investitionsmöglichkeiten für konservative Anleger

Für den sehr konservativen Anleger haben wir eine neue Kategorie auf der TopFonds Liste eingeführt: „Kurzläufer“. Hierbei handelt es sich um Fonds mit einer äußerst kurzen Duration. Dramatische Kursänderungen sind bei ihnen im Allgemeinen nicht zu erwarten.

Defensive Fonds: etwas mehr Risiko, aber dafür auch mehr Ertrag

Als Alternative bieten sich defensiv ausgerichtete Mischfonds an, die einen Teil des Portfolios auch in Aktien oder andere Strukturen investieren können. Das eröffnet ihnen die Möglichkeit, auch im Niedrigzinsumfeld eine interessante Rendite zu erzielen. Sollten die Zinsen steigen und somit Anleihen mit höheren Kupons emittiert werden, ist bei Mischfonds davon auszugehen, dass sich die Fondsmanager neu positionieren und Opportunitäten ausnutzen werden.

Zinsumfeld: Herausforderung vor allem für konservativ ausgerichtete Portfolios

Die für Anleihen aktuell schwierige Situation bringt besonders für defensiv ausgerichtete Portfolios große Herausforderungen mit sich. Dies schlägt sich auch in der Aufteilung der Anlageklassen in der Vermögensverwaltung nieder. In unserer BfV Protect Strategie (Risikoklasse 3) beispielsweise liegt der Anteil der Anleihenfonds mittlerweile bei nur noch 22,5 %. Die stärkste Asset-Klasse sind alternative Strategien mit 40 %.

Auch bei diesen Strategien ist auf eine gute Zusammenstellung zu achten, um die Schwankungsbreite des Gesamtportfolios im Rahmen zu halten. Die Zinsabhängigkeit spielt aber keine oder nur eine sehr geringe Rolle. Somit ist das Portfolio weitestgehend stabil gegen etwaige Zinsänderungen.

Folgendes spricht für die Strategie „BfV Protect“:

  • Innovative Korrelationsüberwachung und -analyse auf Markt- und Fondsebene
  • Rendite unabhängig von der Zins- und Aktienmarktentwicklung
  • Auswahl der Zielfonds erfolgt primär nach dem Risikobeitrag

Für Ihre Kunden: der BfV DepotCheck

Wenn Sie Unterstützung benötigen, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren. Gerne unterstützen wir Sie mit unserem Service „DepotCheck“ und erstellen einen Anlagevorschlag, der auf Ihren Kunden zugeschnitten ist – sei es zur Überprüfung eines bereits bestehenden Depots oder im Rahmen einer Neuanlage. Gerade in der aktuell sehr schnelllebigen Zeit und vor dem Hintergrund möglicher Zinsanhebungen können wir Sie mit einem Portfoliovorschlag unterstützen.

 

Ihr Research-Team